Marsch der Entschlossenen – ziviler Ungehorsam vor dem Reichstag in Berlin

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 “Wenn Humanismus als Kunst deklariert werden muss, um gesellschaftlich akzeptabel zu sein,
dann sind wir als Gesellschaft am Ende.”
(ZPS)

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Friedhof vor dem Reichstag in Berlin - Bildquelle ZPS via Facebook.

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Die Toten kommen

Hinter dem Slogan, der bei flüchtiger Betrachtung erscheint, wie die geschickt kommunizierte PR Aktion eines neuen Hollywood Streifens, verbirgt sich das aktuelle Projekt der Künstlergruppe Zentrum Für Politische Schönheit (ZPS).
Das Kollektiv hinter dem verstörenden Namen versteht sich selbst als eine Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit zum Schutz der Menschheit und hält in jüngster Zeit die versammelte Medienlandschaft unter dem Hashtag #DieTotenKommen auf Trab.

Finanziert über eine Crowdfunding Kapagne hatte das ZPS bereits Anfang des Monats medienwirksam angekündigt, zehn unbekannter Flüchtlinge aus ihren menschenunwürdigen Grabstätten auf Sizilien zu exhumieren und die sterblichen Überreste anschließend auf dem Landweg zu ihren „bürokratischen Mördern“ direkt in das Berliner Regierungsviertel zu überführen.
Im Rahmen einer erste Aktion auf Deutschem Boden wurden Anfang vergangener Woche nun die vermeintlich sterblichen Überreste einer Mutter und ihres zweijährigen Kindes auf dem Friedhof in Berlin-Gatow in einer üppig inszenierten muslimischen Beerdigung beigesetzt.

Die im Vorfeld als Demonstrationszug mit Bagger und Särgen angekündigt Folgeaktion sollte in einer Beerdigung der sterblich Überreste der übrigen Flüchtlinge im Garten des Kanzleramts enden, scheiterte aber -wer hat’s geahnt?- an bürokratischen Hürden.

Die von offizieller Seite genehmigte Demo sah schließlich vor, -ohne Särgen & Bagger- in einer Abschlusskundgebung vor dem Kanzleramt zu enden und wurde vom ZPS wie folgt kommuniziert:

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Bitte bringt zum Marsch keine Holzkreuze, keine Särge, keine „sargähnlichen Behältnisse“, keine Bagger, keine Schaufeln, keine Grablichter, keinen Schnellzement oder Presslufthammer mit, sondern allerhöchstens Blumen, die sich auf der Marschroute zum Bundeskanzleramt nicht im Schutze der breiten Masse festbetonieren lassen.
Ganz ohne Ironie bitten wir Euch um Folgendes: Geht NICHT massenhaft mit Särgen vors Kanzleramt! Organisiert Euch auf KEINEN Fall selbst, seid NICHT ungehorsam, seid NICHT kreativ, tragt auf KEINEN Fall selbst irgendeine Verantwortung, verselbständigt NICHT die Aktionen. Und errichtet NIEMALS in der Nacht zum Sonntag in ganz Europa Gräber in der Öffentlichkeit und ERST RECHT NICHT während des Marsches. Auch NICHT auf der Wiese des Bundestags oder sonstwo.

Fügt Euch und arrangiert Euch mit diesem von den staatlichen Organen künstlerisch umgestalteten „Marsch der Unentschlossenen“

Die Toten kommen!

 

Weitgehend frei von der sonst üblichen Symbolik (Flaggen, Transparente & der vom ZPS im Vorfeld ausgeladene Wahrheitsbewegung um Ken Jebsen) zog „das Volk“ schließlich Sonntag Mittag zu Tausenden in einem opulenten „Marsch der Entschlossenen“ vom Startpunkt unter den Linden durch das Berliner Regierungsviertel zum Kanzleramt.

Kurz nachdem die Demonstration dort für beendet erklärt wurde, fielen plötzlich die Bauzäune rings um die Reichstagswiese und die Massen ergossen sich in geschichtsträchtigem Pathos gen Reichstag:

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Einige Individuen -die augenscheinlich das unmissverständliche! Kommunique des ZPS „überlesene“ hatten- zogen, überrascht von der neu gewonnen strategisch vorteilhaften Position beherzt ihr Gartengerät und begannen mit der Umgestaltung der Reichstagswiese zu einem symbolischen Friedhof für die Opfer der Festung Europa.

Wie auch die meisten Teilnehmer, war die Berliner Polizei der relativ unüberschaubaren Gesamtsituation in keinster Weise gewappnet und glänzte abwechselnd mit Abwesenheit, blindem Aktionismus und Kopflosigkeit.

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Nach der Errichtung einer beachtlichen Zahl mehr oder weniger improvisierter Gräber, gefolgt von zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Beamten vor Ort, wurde der neu angelegte Friedhof vor dem Reichstag nach etwa zwei Stunden von der mittlerweile bedrohlich angewachsenen Bereitschaftspolizei rüde geräumt…

 

Als aufgeschlossener Geist könnte man in der als „Kunsthappening“ kommunizierten Aktion eines der wenigen wichtigen Signale für Deutsche Solidarität mit den Menschen der Länder des Südens erkennen – die Mainstream Presse hingegen schoss sich überwiegend auf den „Sachschaden“ an der Reichstagswiese ein und auch von Seiten unserer Volksvertretung stand die Aktion vielfach als unverhältnismäßig in der Kritik:

 

„Bei allem Verständnis für die Wut der Aktivisten angesichts der vielen tausend ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer, ein Spektakel mit Leichen zu inszenieren überschreitet eine moralische Grenze“

Aydan Özoguz – Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration (SPD)

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Und doch bleibt bei der sich bietenden Kritik angesichts solcher Aktionen, am Ende die Tatsache, dass die medial bereits eingeschlafene Berichterstattung zum dramatischen Anstieg der Flüchtlingstoten im Mittelmeer mit der Aktion des ZPS wieder neu an Fahrt aufgenommen hat – wollen wir doch mal hoffen, dass deren Boss am Ende Recht behält:.

„Wenn man das Wort ,Schönheit‘ gegen das Wort ,Politik‘ schlägt, erzeugt man den Funken für eine Revolution.“

(Philipp Ruch – Chefunterhändler des ZPS)

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Frederic Dietze – Gastbeitrag für NachDenkSeiten / Spiegelfechter: LINK
– Foto im Header © by Nick Jaussi
– Fotos im Text © by Frederic Dietze

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Eindrücke der Aktion „Marsch der Entschlossenen“

2 Kommentare

    • So nicht auf 24. Juni 2015 bei 11:44
    • Antworten

    Ich finde die Aktion relativ geschmacklos.

    Davon abgesehen: warum wird sowas nicht in Ungarn, GB, FR gemacht oder den sonstigen europäischen Nationen, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen? Gerade Deutschland ist eines der Länder, in denen am Meisten aufgenommen wird. Man will es nicht glauben, aber auch Berlin kann den anderen Nationen nicht verordnen, Flüchtlinge aufzunehmen. Das müsste über die EU oder – wenn man die Massen bedenkt – eigentlich über die UNO laufen.

    Warum nun gerade eines der wenigen Länder, in denen massenweise Flüchtlinge aufgenommen werden (wie in Schweden und Österreich), an den Pranger gestellt wird, erschließt sich mir nicht. Die Gräber hätte man in Brüssel machen sollen, denn da wird überhaupt nichts gemacht. Hier in D werden sogar Willkommensfeste gefeiert, wenn die zumeist jungen, männlichen Flüchtlinge ankommen (obwohl man bei Kriegsflüchtlingen ganze Familien erwarten würde, aber wen scherts). In den Niederlanden werden die zb einfach interniert und mehr als 25.000 kommen nicht rein. GB nimmt gar keine. Wer kritisiert das bitte?

    Ich bin extrem weit davon entfernt, mich mit Deutschtümelei oder Nationalismus für Deutschland anzufreunden und halte auch das angeblich typische Deutschtum der Bayern für lächerlich. Aber die bloßen Zahlen beweisen, daß Deutschland seine Schuld in Flüchtlingsaufnahme mehr als erfüllt, im europäischen Vergleich im Grunde sogar der Behinderte ist, weil es überhaupt Flüchtlinge nimmt. Im Übrigen spreche ich hier aus beruflicher Praxis, wenn ich sage: die Aufnahmegrenze ist erreicht. Wir kommen schon mit denen kaum noch klar, die hier sind. Wir haben keine wirklichen Strukturen für diese Menschen, vieles scheitert schon an Sprachbarrieren. Wir haben keinen Plan, wie mit diesen Menschen umgegangen werden soll (von Willkommensfesten kriegen die kein selbstständiges Leben hier hin!), teilweise nicht mal richtige Unterkünfte. Und die einzige Losung bestimmter Kreise dazu ist: bedingungslos noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Damit noch mehr Flüchtlinge hier die Perspektive auf Obdachlosigkeit oder Armut haben, ganz wunderbar, 300.000 Obdachlose in diesem Land reichen wohl noch nicht. Es stört mich an der Flüchtlingsdebatte auch so gewaltig, daß jene, die lautstark „nehmt jeden auf“ fordern, zunächst mal nie Einwanderung von Asyl unterscheiden und dazu dann auch nie sagen, wie wir das hier eigentlich organisieren wollen. Was ich als pure Kinderei empfinde. So kann man mit Menschenleben nicht umgehen. Es ist auch keine wünschenswerte Perspektive, wenn diese Asylbeantragenden im wesentlichen in Containern verrotten und mit den dürftigen Mitteln von Amtsseite so leben müssen, wie das übrige deutsche Prekariat (zum Leben zu wenig, zum sterben zu viel). Mehr bieten die Generalbefürworter aber gar nicht an.

    Bevor mir die interessierten Seiten nicht erklären, wie sie die immer noch mehr Flüchtlinge hier eigentlich menschenwürdig unterbringen wollen und wie sie zur Frage vom Unterschied zwischen Einwanderung und Asyl stehen, bin ich erstmal generell gegen noch mehr Asyl. Solange wie diese Frage wie eine Glaubensfrage behandelt wird, wo zu aller Anfang erstmal das Bekenntnis zu stehen hat, man befürworte unbegrenztes Asyl für alle Flüchtlinge der Welt, halte ich dies für so realitätsverschont wie verantwortungslos und vollkommen naiv.

    Dass es eine Schande ist, wie viele da im Mittelmeer dahinsterben, steht ausser Frage. Aber im europäischen (Fast)Alleingang bedingungslos Leute aufzunehmen mit der einzigen Perspektive von Armut und Obdachlosigkeit und einem Leben unter der Knute des Amtes aufzunehmen: was soll das? Hierüber muss eine richtige Diskussion stattfinden und nicht jeder, der nicht bedingungslos „hurra hurra, Millionen Flüchtlinge“ schreit, in die rechte Ecke gestellt werden. Was zb schlägt denn das Zentrum für politische Schönheit als Lösung vor, auch bezüglich der Weigerung vieler EU-Länder überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen oder sich an geltende Verträge zu halten (Schengen, Dublin III), oder bleibt man etwa einfach bei der Forderung stehen? Das kann jeder.

    Im Übrigen ist diese zunehmende Ablehnung der Deutschen (ca 75% finden, daß es genug Flüchtlinge sind oder gar schon zu viele) auch eine Frucht der Verschlechterung der Lebensverhältnisse der breiten Masse der Deutschen und eine Furcht vor weiterer Verschlechterung. Wer das nicht berücksichtigt, wird es sich mit den Massen ratzfatz verspielen.

    • H.Ewerth auf 25. Juni 2015 bei 12:06
    • Antworten

    Ich weiß zwar nicht, von wem Sie die Informationen haben, Deutschland nehme „am meisten“ Flüchtlinge auf? Denn das stimmt nachweislich nicht, gemessen an den Bevölkerungsszahlen, nimmt Deutschland nicht mehr Flüchtlinge, als zum Beispiel Schweden etc. auf?

    Was ist daran, „Geschmacklos“?doch wohl eher sind die vielen Ertrunkenen Menschen, welche Europa zu verantworten hat, menschenverachtend. So wie auch die Politik des Westens mit gerade einmal 10% der Weltbevölkerung den Rest der Welt als seine Kolonie betrachtet und auch so behandelt. Wenn die Politik des Westens vor Ort Existenzen vernichtet, weil der Westen hochsubventionierte Waren dort überall hin exportiert, verlieren Menschen und Ihre Familien ihre Existenzen, wenn die Weltmeere leer gefischt werden, völkerrechtswidrige Kriege des Westens, Land grapping, oder auf Deutsch auch Land klau, mit Despoten schmutzige und einseitige Geschäfte macht usw. Die Liste ließe sich noch unendlich fortführen, würde aber dieses Forum sprengen. Was der Westen weltweit betreibt ist menschenverachtend, und der Hauptgrund für Flucht.

    Bedingungslos Menschen aufnehmen, die Flüchtlinge sind die falsche Adresse, soll doch, die welche der Meinung sind, vors Kanzzleramt ziehen, und gegen die menschenverachtende Außenpolitik des Westens incl. Deutschland protestieren, dies wären die richtigen Adressaten? Deshalb lieber nach Oben buckeln, und nach Unten treten. Im Übrigen wie viele Flüchtlinge hat das Ausland nach den beiden Weltkriegen aus Deutschland aufgenommen?

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